Wie weit ist es mit diesem Berufsstand gekommen ? Das Titelbild spricht Bände : Arzt im Hemd, flache Stirn, Trillerpfeife, eine erschütternde Symbolik. Erschütternder die stupide Kurzformel auf dem Plakat „Geld weg Arzt weg“ ohne Punkt und Komma. Am erschütterndsten die Bildunterschrift „Ärzte auf der Straße“, gemeint ist wohl „…in der Gosse“. Das sind jetzt Ihre Verhandlungspartner, Damen und Herren in den Schaltstellen des Gesundheitswesens! Nicht die Vorbilder des Arztberufes, ja nicht einmal deren Abklatsch. Nun sind Sie auf Augenhöhe mit Ihrem Gegenüber, einer Spezies,die Sie einschätzen können, früher ÖTV, heute Verdi und MB, manchmal in blau, dann mal in weiß, eben Ärzte auf der Straße,. Proletariat im marxistischen Sinne. Genosse Arzt, das Revolutionskommitee hat Dir etwas mitzuteilen.
Das ist das eine, was mir zu Thema Ärzte-Streik einfällt. Und siehe, da sind sie wieder, die Alt68iger, oder besser gesagt, die Agitatoren der kommunistische Fraktion im Mantel der 68iger, die den aufklärerischen Geist dieser Zeit an Pankow verkauft haben. Sie sitzen heute nicht nur in den Schaltstellen des Gesundheitswesens, sondern bilden auch die flankierenden Hilfstruppen in den zuständigen Gerichten. Daher Augenhöhe, nicht aber Waffengleichheit. Nun kann man Wetten abschließen, wer sich hier durchsetzt.
Da es bekanntlich im Diesseits keine Gerechtigkeit gibt, fährt auch die Hoffnung dahin, dass die politisch Verantwortlichen für die neue Generation Arzt im Erkrankungsfalle dieser in die Hände fallen. Nein, hierfür ist vorgesorgt. Der Flugdienst bringt die Damen und Herren in die Uni-Klinik Zürich zu den letzten Fossilien des freien Arztberufes.
Zum anderen fällt mir auf, dass der Ärzte-Streik aus objektiver Sicht für beide Seiten der Mühe nicht wert ist, wo doch das Tal der Tränen fast durchschritten und die Aussichten auf die Ausbildung tragfähiger und nachhaltiger Strukturen durch autoregulative Prozesse besser erscheinen denn je.
Ich will diesen Optimismus begründen: Wären die Krankenkassen verpflichtet, wie ein ordentlicher Kaufmann zu bilanzieren, so müssten sie 2 – 4 Billionen Euro als Verbindlichkeiten heute in die Bilanz einstellen. Ein Ausgleich dieser Verbindlichkeiten durch Beitragsforderungen führte zu einer Anhebung der Beitragssätze um mehr als das Doppelte des gegenwärtigen Niveaus (sinngemäß zitiert nach Prof. Raffelhüschen, mathematisch kalkuliert aus Zahlen öffentlicher Statistiken). Der Bilanzausgleich über Beitragsforderungen ist damit nicht praktikabel. Es bleibt nur die Leistungsseite, im Klartext: die Streichung bisheriger Leistungen im großen Stil. Unverständlicherweise ruft gerade das den Zorn der Ärzteschaft hervor. Statt dies als Chance zu begreifen, quittiert man diese banale Notwendigkeit mit der Trillerpfeife. Es ist ja nicht so, dass diese von der „Zuwendungsliste“ der Kassen gestrichenen Leistungen danach nicht mehr nachgefragt werden. Es ändert sich nur die Kostenstelle. Dabei dürfte auch schon feststehen, dass die direkte Vergütung der Leistung vom Bezieher an den Erbringer wesentlich geringere Reibungsverluste aufweist als im herrschende System (d.h. vom Zwangsbeitrag durch zweifelhafte Kanäle zum Arzt) üblich.
Zwangsläufig muss ein Streik der Ärzte für mehr Geld im bestehenden System fruchtlos bleiben, siehe oben. Ein Streik gegen ein fallendes oder besser stürzendes System ist überflüssig. Fast erscheint es mir, als ginge es bei den Streiks um reine Demonstration des Ertragens von Schikanen und schlechter Bezahlung, der Arzt und das ihm eigene Mitleid nun auf sich selbst gerichtet. Nein, Streikwillige haben nichts Heroisches. Hier wird schlicht die Fremdbestimmung der zwangs- oder sonst wie organisierten Ärzteschaft deutlich.
„Ab nach Kassel“ müsste die Parole lauten, nicht „Geld weg Arzt weg“. Dieser letzte Grad der Freiheit wird gerade aufs Spiel gesetzt.
Der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit lässt weiter auf sich warten. Hierin liegt der Kern des Problems.