SATIRE – Der König ist tot, es lebe der König

Es geht zuweilen zu wie bei Hof, im Kleinen wie im Großen. An dieser sprichwörtlichen Erkenntnis hat sich wohl kaum etwas seit den Tagen des Absolutismus in Europa geändert Intrigen, Verurteilungen, Hinrichtungen. Madame Guillotine arbeitet jetzt für Spiegel, Bild und SZ zwar unblutig, doch kaum weniger erfolgreich. Auf der Liste der Delinquenten findet man inzwischen „König Werner“ von der Insel in Lindau. Als Facharzt für  Ohren, Nase und Hals hätte er wissen müssen, wie nahe bei dem Ungeheuer Presse die Nase dem Rachen ist. Wer auf ihr herumtanzt, wird schnell verschlungen. Zwar ist des Königs Kopf noch nicht im Korb, doch die Szene wartet voller Spannung auf die Botschaft: „Der König ist tot“ natürlich im übertragenen Sinne, konkret auf die Meldung „Medical ohne Mang“. Und nun erfährt das Theaterstück eine unerwartete Wendung. Der totgesagte König lädt ein nach Bad Schachen zur „Jubiläumstagung 20 Jahre Schönheitschirurgie Lindau“, oder vielleicht auch 200 Jahre, wer kann bei so viel Spektakel noch mitzählen? Sein Fußvolk schnürt schon die Ranzen. Spektabilitäten, Ordinarien, Emeriti und andere Tollitäten aus Nord und Süd putzen die Talare und pudern die Perücken. „Es lebe der König.“ suggeriert der Prospekt zum kommenden Jubiläum. Haben nicht gerade die Präsidenten namhafter Gesellschaften der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie die Eskapaden des strauchelnden Idols der „Schönheitschirurgie“ in einer Art Nachruf bedauert? Was also treibt nun selbst  Mitglieder  dieser Gesellschaften zum Tanz der Vampire nach Bad Schachen? Wohl kaum der Herdentrieb oder gar Schwarmintelligenz.. Vielleicht ist es eine Neuauflage der Genitalienschau am Scheideweg von Kunst und Pornographie in der Sybille-Mang-Gallery, sinnigerweise im Programm als get-together beworben, vielleicht auch Charity  mit Dr. Brigitte Mohn, zur Abwechslung als Gala inszeniert, und Champus gratis. Nicht wirklich. Man findet die Antwort in den philosophischen Schriften des „König Werner“, der die Schwächen seiner Pappenheimer kennt und vor Jahr und Tag bereits diesen die Formel: „Schöner Schein und eitler Wahn“ auf den Leib schrieb. So streben sie offensichtlich nach Ehrungen oder gar nach Mitgliedschaft  in der IGÄM, was auch immer sich hinter diesem sinnigen Akronym auf Ä international verbergen mag. Die Domäne IGEM auf E ist schon vergeben an die Interessengemeinschaft der Esel- und Mulizüchter, www.igem.de, siehe auch www.esel.org.  Ist das Zufall? Was sonst. Denn statt  Eseldung und IAa-Schreien verspricht IGÄM Augenhöhe mit illustren Namen und der angesagten Kleinprominenz, und es winkt vielleicht ein Eintrag im Who is Who der Eitelkeiten als Entschädigung für die Mühsal der Reise. Was sonst könnte die Anstrengungen rechtfertigen? Im Programm ist nichts ausgelassen, was nicht schon quantum satis bei den voran gegangenen Tagungen vorgetragen wurde, Perseverierung als Symptom des „undiszipliniert-autistischen Denkens in der Medizin“[Bleuler]? Zum Beispiel „liquid lifting“, eine Art Hydraulik für Mediziner einschließlich Schnupper-Kurs, Wissenschaft mit drei Kreuzchen, plus plus plus, etwa wie: lieb lieb lieb oder böse böse böse, hands on –  brain out und  zum Schluss das alles schlagende Argument: 2 Milliarden Chinesen können nicht irren. Da wären schließlich noch die üblichen verdächtigen Goldsponsoren. Sie liften nicht die Majestät sondern die Liquidität am Hofe.  Nur eines werden die Teilnehmer vermissen, Samba Pa´Ti, die Vintage-Vorlesung des König Ivo aus Rio: My Way – How I did it, did it, did it …, 50 Jahren Plastische Chirurgie unterm Zuckerhut. Dennoch kein Zweifel, es ist ein Jubiläumsprogramm. Und wandelnd  auf den Spuren des Armand Herberger, geküsst von den selben Musen des gleichnamigen Hofes in der Pfalz braust der Ruf des König Werner über n-tv hinaus ins Land: „Ruf an! Du wirst es nicht bereuen“. Ob Einladung zum Fest oder Rückrufaktion in die Werkstatt [Titanic, Nr.3/2012, S.56]  wer könnte diesem Charme widerstehen? Der König wie er leibt und lebt.

02.05.2012 

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