Nichts ist so schlecht, dass man ihm nicht doch etwas Gutes abgewinnen könnte.
Römische Sentenz
Kein Fernsehabend ohne Krimi und Gewaltverbrechen. Die
Mordwerkzeuge sind Äxte, Messer, Stich- und Schusswaffen, Keulen, Seidentücher
und dergleichen je nach Täterprofil. Das Opfer weist klare Zeichen der
Gewaltanwendung auf : kein Zweifel, es handelt sich um Mord. So lieben wir es.
Es gibt jedoch noch eine ganz andere Kategorie von Gewaltverbrechen, die im
Fernsehen fast immer zu kurz kommen, weil sie als solche nicht ins Auge fallen.
Gemeint ist der heimtückischste aller Angriffe auf Leben und Gesundheit,
der Giftmord. Der gewaltsame Tod kann
nur durch Ausschluss eines natürlichen Ablebens, durch Zweifel und oft nur mit moderner Analytik, Forensik,
Kriminologie durch indirekte Nachweise bewiesen werden.
Die Palette der historischen Betrachtung ist groß:
Pharaonen, Päpste, Tyrannen, Kaiser, Könige…. Aber auch dem gemeinen Volk ist
die Heimtücke nicht fremd: der Giftmord von Worms 1956, E 605 in der Praline
wird dem naschenden Opfer zum Verhängnis. Der Tod kommt in Minuten. Keine
Hilfe. Kein Tatort. Der Mörder abwesend. Nur das Motiv verrät ihn oder sie.
Eine Steigerung der Perfidie in unseren Tagen: der high-tech Giftmord von
London am russischen Exilagenten Aleksandr Litwinenko, eine winzige Menge
Polonium 210 vielleicht im Tee des Opfers. Der Tod kommt schleichend, nach
Wochen des Leidens. Alle Rettungsversuche sind vergeblich. Die Mächtigen der
Geschichte suchten dem Giftanschlag durch den Vorkoster zu entgehen. Was nutzt
beim Polonium 210 der Vorkoster. Er stürbe den gleichen qualvollen Tod Wochen
nach der Teestunde.
Vergessen wir dabei nicht, dass viele der heutigen modernen
Arzneimittel ursprünglich durch ihre giftige
Wirkung entdeckt wurden. Nehmen wir als
Beispiel das Gift der Tollkirsche, das Atropin. Die Tollkirsche wächst in
unseren Breiten und so treffen denn auch immer wieder Notrufe in der
Giftzentrale der Uni Mainz ein, wenn Kinder
Früchte der Tollkirsche verspeist haben. Das Gift der Tollkirsche war
bereits in der Antike zwar als tödliches Gift bekannt, aber man wusste sehr
wohl, das Gift in schwacher Dosierung für die kleinen Freuden des Alltags zu
nutzen. Die Schönen der Antike wendete es in Form von Augentropfen an, um die
Pupillen zu erweitern und die Oberlider abzusenken. Das erzeugte einen
schmachtenden und verführerischen Blick.
Wir nennen das volkstümlich einen „Schlafzimmerblick“. So siegte das schwach Geschlecht
über das starke und das Prinzip des Bösen wurde zum Guten gewendet. Die
Entdeckungsgeschichte der Arzneimittel ist damit noch nicht abgeschlossen. Sie
hat in jüngster Zeit eine Fortsetzung erfahren.
Der Nobelpreisträger für Literatur John Steinbeck beschreibt
in seinem Roman Jenseits von Eden einen wirklich perfekten Mord mit
Hilfe eines besonderen Giftes, welches in der Natur unter bestimmten Umständen
entsteht, aber auch dann, wenn Nahrungsmittel unsachgemäß konserviert werden.
Die Mörderin, Kate, stellt es her, indem sie Bohnen einkocht, und dabei
entsprechend dem Mordplan die Vorschriften missachtet. Das Opfer, die begüterte
Bordellbesitzerin und Adoptivmutter Faye, stirbt Tage nach der Bohnenmahlzeit
grausam an den Folgen der Muskelschwäche. Die Tat bzw. dieTäterin wird nicht
erkannt. Kate wird Erbin und das Unglück nimmt seinen Lauf. Was ist das für ein
geheimnisvolles, tückisches Gift, welches so einfach in tödlicher Menge
hergestellt werden kann. Es ist das Butulinum-Toxin (BTX).
In Europa war das Gift ursprünglich bekann als das
„Wurstgift“, welches die tödliche …..Krankheit verursachte. 1783 wurde
hierdurch sogar eine Epidemie mit vielen Todesopfern ausgelöst. Wie kommt
solches Gift in die Wurst? Die Erklärung fand 1895 van Ermengem. Das Wurstgift
wird von Bakterien produziert, die nur unter Sauerstoffabschluss wachsen, den
Clostiriden. Eine spezielle Art, Clostridium.botulinum stellt das Gift her und
scheidet es aus. Deshalb heißt das
Wurstgift Botulinum-Toxin. Diese Erreger kommen in Form von sogenannten
Sporen, der sehr widerstandfähigen Dauerform des Keimes, allerorts in der
belebten Natur vor. Nur unter Luftabschluss entwickeln sich die Sporen zur
vegetativen, das heißt stoffwechsel-aktiven, Form, und die alleine bildet das
Gift. BTX ist also ein Stoffwechselprodukt dieser speziellen anaeroben
Bakterien.
Die Sporen selbst überleben unter gewissen umständen das
Einkochen bei der Herstellung von Konserven. Sie finden dann im Innern der
Konservendose ideale Entwicklungsbedingungen zur Ausbildung der vegetativen
Form. Sie befinden sich nämlich unter Sauerstoffabschluß, oder mehr
wissenschaftlich, unter anaeroben Bedingungen. Nun bleibt dem aufmerksamen
Koch die Anwesenheit von vegetativen Formen der Clostridien in der Konserve
nicht verborgen. Denn gleichzeitig mit der Ausscheidung des giftigen
Stoffwechselproduktes BTX produzieren die Bakterienzellen Gase (CO2?), und
diese führen zu Drucksteigerung in der Dose und zur Aufwölbung der Deckel. Man
spricht dann von bombierten Konserven, und angesichts dieser Erscheinung ist
höchste Vorsicht geboten. Allerdings gibt es die Möglichkeit das Gift durch
Erhitzen über 60 °C zu zerstören, denn es ist hitzelabil. Wird jedoch eine
solche bombierte Konserve zur Mahlzeit verarbeitet und zuvor nicht ausreichend
erhitzt, so gelangt das darin enthaltene Gift in den Magendarmtrakt des
ahnungslosen Schlemmers und wird über die Schleimhäute in den Blutkreislauf
aufgenommen. Mit dem Blutstrom erreicht es die quergestreifte Muskulatur und
führt dort zu Lähmungserscheinungen. Da auch die Atmungsmuskulatur zur
quergestreiften Muskulatur zählt, wird auch diese gelähmt, und dies führt –
ohne künstliche Beatmung über Wochen – zum Erstickungstod. Soweit das
Schlechte. Und nun zum Guten:
Inzwischen hat unser Wissen über das BTX erheblich
zugenommen. Es handelt sich um einen Eiweißkörper, der aus mehreren
Untereinheiten besteht. Jede Untereinheit hat ihre eigene Bedeutung. Im Zentrum
des Eiweißkomplexes liegt das eigentlich giftige Prinzip. 1944, im 2.
Weltkrieg, wurde der Wirkungsmechanismus des Gifte in Fort Detrik, Maryland,
unter höchster Geheimhaltung weiter aufgeklärt und schließlich 1946 der gesamte
Eiweißkomplex in kristalliner Form dargestellt, wohl ursprünlich in der
Absicht, daraus einen Kampfstoff zu entwickeln. Daraus wurde genau das
Gegenteil. BTX wurde bis heute zu einem hochmodernen Heilmittel entwickelt,
welches völlig neue Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen eröffnet, die
bisher als nicht behandelbar galten.
Faszinierend ist die geringe Menge an Gift, die beim
Menschen bereits zum Tode führen kann. Sie liegt im Bereich von Nanogramm, d.h.
der milliardste Teil eines Gramms genügt also schon zur Lähmung der Muskulatur
eines Menschen. Es bestätigt sich hier die Erfahrung, dass die Biologie die
giftigsten aller Gifte bereithält. Durch ausreichende und sachgerechte
Verdünnung – und dies ist eine Kunst bei der Herstellung – wird aus dem Gift
das Heilmittel. Dosis facit veneum: die Dosis macht das Gift . So lehrt es
Paracelsus. Darum Hände weg von BTX-Präparaten aus unbekannter Quelle, die als
fakes auf dem grauen Markt kursieren.
In der „pipeline“ sind darüber hinaus Anwendungen des Giftes
in biochemisch veränderter Form, die nicht auf Lähmung von quergestreifter
Muskulatur sondern auf Schleimlösung in der Lunge abgestellt sind. Das ist zur
Zeit noch Zukunftsmusik.
Auch der Wirkungsmechanismus ist bis in Einzelheiten
aufgeklärt. BTX wirkt an der sog. neuromuskulären Endplatte, der
Verbindungsstelle des Nerven zum Muskel. Es dringt durch einen speziellen
Mechanismus in den zum Nerven gehörenden Teil dieser Endplatte ein verhindert
durch Spaltung wichtiger Eiweißverbindungen die Übertragung des Nervenimpulses
auf den Muskel. Das bedeutet Lähmung des Muskels. Aber nicht etwa, wie es bei
Verletzungen oder Durchtrennung des Nerven bekannt ist, sondern in einer Weise,
bei der der Muskel nicht nachhaltig abgebaut wird. Hieraus wird verständlich,
das nach Abklingen der Giftwirkung der Muskel wieder vollständig regenerieren
kann. Und das ist höchst erstaunlich. BTX verursacht also weniger eine Lähmung im herkömmlichen Sinne als vielmehr eine
Modulation des neuromuskulären Zusammenspiels, welches von außen betrachtet wie
eine Lähmung anmutet.
2004 ist es deutschen
Wissenschaftlern der Firma Merz gelungen, das Gift in seine Bestandteile zu
zerlegen und den eigentlich giftigen „Kern“ rein darzustellen bzw. zu
isolieren. Inzwischen wird diese reinste Darstellung des BTX in Dessau von der
Firma Merz für medizinische Zwecke hergestellt. Hierfür wurde eigens eine
high-tech Anlage dort neu errichtet.
Ob Gift oder Heilmittel entscheidet sich zum einen mit der
Dosis und zu andern durch den anatomischen Einsatzort. Die Dosis wird in
Einheiten gemessen, genauer gesagt in Maus-Einheiten (MU). Eine Mauseinheit
entspricht der LD 50 im Maustest. Es ist die Dosis, die erforderlich ist, um
bei Verabreichung an 100 Mäusen den Tod von 50 Tieren zu bewirken. Die tödliche
Dosis für den Menschen liegt schätzungsweise über 3000 Mauseinheiten. Genau
Kenntnis fehlen aus verständlichen Gründen. Zur Therapie beim Menschen werden je
nach Behandlungsziel zwischen 10 und 600, und nur in Ausnahmefällen bis zu 1000
Mauseinheiten, angewendet. Damit bleibt ausreichend Sicherheitsabstand zur
gefährlichen Dosierung selbst bei versehentlicher Injektion in die Blutbahn.
Die Verabreichung des BTX erfolgt üblicherweise als Injektion mit der Spritze
in die zu behandelnde Muskulatur. Dabei wird der Löwenanteil des Giftes am
Injektionsort gebunden und steht nicht
für Wirkungsentfaltung fern der Injektionsstelle zur Verfügung. Dies steigert
die Anwendungssicherheit erheblich. Die genaue Kenntnis des Aufbaues des Giftes
und seiner Umsetzung im menschlichen Organismus hat somit ein sicheres
Arzneimittel hervorgebracht.
Unter welchen Umständen kann nun das ursprünglich
verheerende Wurstgift segensreich zur Behandlung krankhafter Veränderungen
eingesetzt werden? Dies ergibt sich aus seiner unübersehbaren Hauptwirkung, die
Erschlaffung von quergestreifter Muskulatur. Dabei ist unter Erschlaffung ein
weites Spektrum von Entspannung,
Entkrampfung, Teillähmung bis hin zur
vollständigen Lähmung eines einzelnen Muskels oder einer Muskelgruppe zu sehen.
Je nach Dosis und Injektionstechnik können diese Wirkungen vom erfahrenen
Behandler justiert bzw.eingestellt werden.
Also lassen sich mit BTX alle Formen der muskulären
Übererregung erfolgreich behandeln von der Verspannung bis zur Verkrampfung.
Medizinisch bezeichnet man solche Überaktivitäten einzelner Muskeln oder ganzer
Muskelgruppen in leichteren Fällen als Hyperkinese und bei schweren
Störungen als Spasmus. Die bekanntesten Krankheitsbilder, die durch
Spasmen ausgelöst werden sind der muskuläre Schiefhals (torticollis
spasmodicus) und die Spastik der Gliedmaßen bei Schädigungen des zentralen
Nervensystems (ZNS). Mit BTX lassen sich die Aktionen der überaktiven
Muskulatur abschwächen oder unterdrücken, sodass für die Betroffenen Heilung
zumindest jedoch Erleichterung erreicht wird. Die Behandlung muss allerdings in
Zeitabständen von 4-6 Monaten wiederholt werden, denn der Bioorganismus findet
Wege, die Blockade der Nervenübertragung zu umgehen, in dem er zeitverzögert
neue Kontakte bildet. Dies stellt schließlich auch ein wesentliches
Sicherheitsmerkmal der Behandlung dar, da es keine bleibenden unerwünschten
Folgen geben kann. In der Neurologischen Klinik der Universität Rostock wurde
zu dieser Behandlungsform umfangreiche Erfahrung gesammelt. Hier werden
betroffene Patienten in regelmäßigen Abständen untersucht und behandelt.
Da z.B. bei Spastikern, Patienten mit spastischen Lähmungen
infolge einer Schädigung des ZNS, die BTX Behandlung als Langzeitbehandlung
angelegt ist und, somit in regelmäßigen Abständen Folgeinjektionen verabreicht
werden müssen, kommt der Reinheit des BTX-Präparates eine besondere Bedeutung
zu. Als bakterielles (Fremd-)Eiweiß kann das BTX eine Immunisierung auslösen,
d.h. die Bildung von Antikörpern über das Immunsystem bewirken ähnlich einer
Impfung. Befinden sich derartige gegen das BTX gerichtete Antikörper im
Blutkreislauf, sind diese in der Lage, an das BTX zu binden und es zu neutralisieren.
Damit bliebe eine BTX-Behandlung auf Dauer wirkungslos. Begleiteiweiße, die in
einigen BTX-Präparaten enthalten, für die BTX-Wirkung am Nerven aber nicht notwendig sind, erhöhen
das Risiko der Antikörperbildung und damit des therapeutischen Versagens von
BTX auf lange Sicht.
Der erste therapeutische Einsatz von BTX erfolgte
interessanterweise 1978 durch Dr.A.Scott in der Augenheilkunde. Er versuchte,
durch Schwächung ausgewählter Augenmuskel das Schielen (Strabismus) zu
behandeln. Von der Augenmuskulatur war es nicht weit zur Lidmuskulatur. Auch
hier gibt es spastische Zustände, der sogenannte Blepharospasmus, oder
unwillkürliches Zucken. Zustände dieser Art können idealer weise mit BTX
therapiert werden. Die Lidmuskulatur – zuständig für den Lidschluss – ist ein
Teil der mimischen Muskulatur des Gesichts. Inzwischen wurden Verfahren
erarbeitet, die es erlauben, die gesamte mimische Muskulatur mit BTX in ihrer
Aktivität zu beeinflussen. Dies hat Bedeutung erlangt, seit der mimischen
Muskulatur ein auslösendes Moment bei der Migräne zugeordnet wird. Es sind zur
Zeit Studien im Gange, die die vorbeugende Wirkung des BTX bei der Migräne
belegen sollen. Damit wäre BTX auch bei
dieser wohl häufigsten Gesundheitsstörung der zivilisierten Welt eine echte
Therapieoption.
Ach ja, da gibt es auch noch den Einsatz des BTX gegen
Gesichtsfalten. Es können natürlich nicht alle Gesichtsfalten mit BTX geglättet
werden, nur die mimisch bedingten, also solche Falten, die durch Überaktivität
der Muskulatur zustande kommen. Das gibt es schon in jungen Jahren, manchmal
schon ab 20. Überaktivität ist eine Regelwidrigkeit im Sinnen der Definition
des Krankhaften. Diese lautet nämlich : am falschen Ort, zur falschen Zeit, im
falschen Maß. Muskelaktivität im falschen Maß ist demnach eine krankhafte
Veränderung, die mit BTX erfolgreich therapiert werden kann. Leider machen sich
die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer diese Auffassung nicht zu
eigen. Warum? Das ist ein anderes Kapitel und hängt mit dem Unwort „Gesundheitsökonomie“
zusammen.
Wie sind nun mimische Falten in mittleren und höheren
Lebensalter zu beurteilen? Liegt ihnen vielleicht auch ein krankhafter Prozess
zugrund? Wissenschaftlich ist auch diese Frage mit JA zu beantworten.
Der Alterungsprozess – und in diesem zahlreiche Schädigungen – bewirkt in der
Muskulatur einen Umbau, wobei sich gesundes Muskelgewebe in minderwertiges
Bindegewebe – eine Art Narbengewebe –
umbaut, und da Narbengewebe die Fähigkeit zur Schrumpfung besitzt, schrumpft es
auch zusammen mit dem Muskel. Der Muskel verkürzt sich durch diesen Vorgang.
Der Beweis ist das Altersheim : die Menschen dort Leiden nicht etwa an
schlaffen, zu langen Muskeln mit Verrenkungen der großen Gelenke sondern an zu
kurzer Muskulatur, die sie in gebeugte Positionen zwingt. Mit der mimischen
Muskulatur hat es allerdings noch etwas besondere auf sich: sie hat ihren
Angriffspunkt direkt in der Haut. Wenn sie sich also altersbedingt verkürzt,
entsteht ein Dauerzug auf die Haut, die dann eine furchenförmige Einziehung
aufweist. Der Volksmund nennt das „Falte“. Manchmal wir behauptet, dies adele
das Gesicht.
Jedem das Seine! Wie wäre es zur Abwechslung mit einem
Versuch der Wiederherstellung der alten Muskellänge mit Hilfe des BTX? Mit
Schönheit hat diese Behandlung herzlich wenig zu tun. Schönheit entsteht aus
anderen Quellen. Hier wird wiederhergestellt, was durch degenerative Prozesse
verloren gegangen war: ein natürlicher entspannter Gesichtsaudruck. Die
psychosoziale Auswirkung solcher wiederherstellender Maßnahmen werden in der
Öffentlichkeit leider nicht wahrgenommen und oft abwegig kommentiert. Theodor
Adorno hat hierzu richtungsweisend veröffentlicht. Bekannt geworden ist das
Zitat : „If you look pretty you sell better“. Bezüglich der Übernahme eventueller
Behandlungskosten sind sich auch diesbezüglich private und gesetzlich
Krankenversicherer in ungekannter Weise einig: diese Art der Wiederherstellung
kann nicht unter deren Leistungspflicht angesiedelt werden. Siehe oben.
Ganz anders sieht es aus beim Thema Schwitzen. Es gibt
Menschen, die gehen in die Sauna, um zu schwitzen. Andere leiden unter dem
Schwitzen, und interessanterweise nehmen sich die Krankenversicherer dieser
Gruppe wohlmeinend an. Das verstehe, wer will. Vielleicht muss man hierzu
Gesundheitsökonom sein. Denn auch das Schwitzen kann man wie die Faltenbildung
einteilen in wenig, mittel und stark. Denen, die stark schwitzen, so lautet der
Beschluss der Gesundheitsweisen, kann
und muss geholfen werden und zwar mit BTX.
So wie BTX die Übertragung des Nervenimpulses auf den Muskel
zu unterbinden vermag, so kann es über das gleiche Wirkprinzip die Übertragung
der Nervenimpulse auf die Schweißdrüsen
blockieren. Denn die Übertragungsstellen an Muskulatur und an Schweißdrüsen
sind eng verwandt und bedienen sich des gleichen Überträgerstoffes, des
Acetylcholins. Man spricht deshalb in der Medizin von cholinergen Synapsen
und meint damit alle Übertragungstellen, an denen der Überträger- bzw.
Signalstoff Acetylcholin agiert. BTX wirkt ausschließlich an cholinergen
Synapsen, also auch an der cholinergen Synapse zwischen Nerv und
Schweißdrüse. Die Begrenzung der BTX-Wirkung auf cholinerge Synapsen erklärt auch die fehlende
BTX-Wirkung am ZNS, da hier keine solchen Synapsen bekannt sind.
Wie kommt nun BTX an die Synapse zwischen Nerv und
Schweißdrüse? Wiederum in Form einer Injektion mit der Nadel oder Druckpistole
ins benachbarte Gewebe, also in das Unterhautgewebe und dann weiter durch eine
Art Diffusion an das nervenseitige Ende der Synapse. Dort wird es in die
Nervenzelle aufgenommen und eingebaut. Nach wenigen Tagen tritt die Wirkung
ein. Die Haut wird trocken. Kein Stress, keine Hektik kann das Wohlbefinden
stören, die Reinigungsanstalt meldet Kurzarbeit an. Vorausgesetzt, die Dosis
und Ausdehnung der Behandlung waren ausreichen.
Leider oder zum Glück findet – wie bei der Muskulatur – eine
Regeneration der blockierten Synapsen statt, sodass nach einer gewissen Zeit,
meist 4-6 Monate, eine Wiederholung der Behandlung erforderlich wird. Der
Erfolg mit BTX bei der Schweißdrüsenbehandlung kann übrigens sichtbargemacht
werden mit Hilfe des Jod-Stärke-Tests oder des Ninhydrin-Tests.
Schweißabsonderung wird im Test durch Farbbildung auf der
Haut sichtbar. Fehlt die Schweißbildung, so tritt auch keine Verfärbung auf.
Haupteinsatzgebiet im Kampf um trockene Hemden und Blusen sind die
Achselhöhlen. Alternativ stehen hier nur die Schweißdrüsenkurettage oder die
Sympathektomie, beides operative Verfahren, zur Verfügung. Bei vermehrtem
Schwitzen an Stirn, Nacken, Wangen, Hals bleibt BTX ohne Alternative.
Zurück zu John Steinbeck´s Jenseits von Eden.
Das Thema wurde 1956 in Hollywood verfilmt mitJames Dean in der Hauptrolle.
Gab es dafür nicht mehrere Oscars? Vielleicht schaut man sich mal die
Filmaufzeichnung von der damaligen Preisverleihung an und vergleicht sie mit dem heutigen Zeremoniell.
Man wird einen diskretenUnterschied ausmachen können: das Wurstgift bzw. das Gift, das aus den Bohnen
kam, hat nicht nur den alten (Kult-)Film maßgeblich beeinflußt sondern es
wirkt heute weiter in den Gesichtern und
Achselhöhlen der auserwählten Anwesenden.
Entwurf Stand 15.8.2007
Dr. med. Johannes Reinmüller