Zusammenfassung 3. Konsensuskonferenz Dermal Filler am 15.11.2008 in Wiesbaden

Insgesamt trafen sich ca. 40 Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen und Vertreter der Industrie in Wiesbaden. Die Initiatoren der Konferenz waren wie 2 Jahren zuvor Frau Marianne Wolters und Herr Herrmann Lampe aus Frankfurt sowie Herr Johannes Reinmüller aus Wiesbaden. Die Konferenz wurde von der Landesärztekammer Hessen mit 8 Punkten als Fortbildungsveranstaltung bedacht.
Herr Lampe begrüßte die Teilnehmer unter Hinweis auf die Tradition der Veranstaltung als objektive Plattform für den Austausch von gesichertem Wissen, für die Diskussion offener Fragen und den Dialog zwischen Anwendern und Industrie. Er wies auf die Finanzierung der Konferenz aus ausschließlich eigenen Mitteln der Initiatoren hin ohne Inanspruchnahme von Sponsorengeldern, um ein höchst mögliches Maß an Unabhängigkeit zu schaffen.
In dem einleitenden Referat stellt Frau Wolters die Veränderung auf dem Fillermarkt seit der letzten Konsensuskonferenz 2006 dar. Es wurden eine Reihe von Produkten z.T. aus firmeninternen Gründen (z.B.Hylaform) aus dem Markt genommen, z.T. aber auch aus Gründen einer unzureichenden Sicherheit (z.B. Derma-life, Derma-deep). Neue Produkte wie das kollagen-basierte Evolence, die Hyaluronsäure-basierten Produkte Prevelle, Puragen, Puragen plus, Belotero intens, der Massenfiller Macrolane, das Agarose-basierte Produkt easy-agarose und ein synthetisches Produkt Laresse seien hinzugekommen. Sie berichtete weiter über neue Erkenntnisse aus Studien und rief die Anwender dazu auf, nur Produkte zu verwenden, zu denen es gesicherte Erkenntnisse aus Studien gibt. Sie erwähnte dabei auch die gestiegen Bereitschaft der Industrie, Trainingsveranstaltungen auf hohem Niveau anzubieten und empfahl potentiellen Anwendern die Teilnahme. Sie schloss mit dem Leitsatz: Nicht alles Neue ist gut, aber alles Gute war einmal neu.
Herr Frank Bachmann aus Berlin (Arbeitsgruppe Rzany) stellte aktuelle Zahlen aus dem Filler-Register Berlin vor, welches z.Zt. über ca. 80 Meldungen aus einem Zeitraum von 7 Jahren verfügt. Ziel des Registers sei es, Risikoprofile für einzelne Fillerkategorien zu erstellen. Er arbeitete klar heraus, dass die gemeldeten Komplikationen auf unterschiedliche Ursachen beruhen. Im Wesentlichen handele es sich um Probleme der Biokompatibilität, um Infekte der Fillermaterialien in situ und um Anwendungsfehler. Beispielsweise sei die Glabellaregion gefährdet durch ischämische Zustände infolge Embolisationen der supratrochlearen Arterien bei tiefer Injektion. Die Meldungen an das Register stammten in der Vergangenheit überwiegend aus Berlin und Umland. Wünschenswert wäre jedoch ein deutlich erweiterter Einzugsbereich. Deshalb bat er um möglichst bundesweite Meldungen an die  homepage www.dermal-filler.net.
Frau Luitgard Wiest aus München berichtete über die Ergebnisse einer Konferenz in Huston, Texas, zum Thema Komplikationen mit Fi3llern, die im August des Jahres stattfand. Das Profil der Komplikationen falle im Vergleich zu Europa unterschiedlich aus, bedingt durch das abweichende Angebot. Dies sei Folge der erheblich schärferen Zulassungsbestimmungen für Medizinprodukte in den USA, die aufwändige Studien für die Zulassung forderten. Damit sei das Angebot an Fillern eingeschränkt. Letzten Endes verhinderten die strengeren Zulassungsbestimmungen die Zahl der Komplikationen nicht effektiv.
Herr Reinmüller führte aus zur Viskoelastizität der Hyaluronsäure bzw. deren Derivate. Diese verhalten sich teilweise wie elastische Festkörper und teilweise wie Flüssigkeiten. Dieses Verhalten lasse sich nicht mit den bekannten physikalischen Gesetzen von Hooke bzw. von Newton beschreiben. Viskoelastische Substanzen könnten dennoch in ihrem Verhalten messtechnisch erfasst und beschrieben werden. Die Viskoelastzität kann sich mit zu- oder abnehmendem „stress“ verändern. Dies habe Bedeutung für die Passage der Substanzen durch englumige Kanülen und für die Ausbreitung im Zielgewebe. Hyaluronsäure und ihre Derivate seien durch den „shear thinning“ Effekt gekennzeichnet, d.h. sie verflüssigten sich unter mechanischem „stress“ in der Kanüle und verfestigten sich erneut im Gewebe. Viskoelastische Daten zu bestimmten Fillersubstanzen würden kaum von den Herstellern geliefert und müssten in der Literatur recherchiert werden. Sie erlaubten jedoch unter Hinzunahme anderer Eigenschaften wie z.B. Partikelgröße bei biphasischen Fillern einen Vergleich der einzelnen Produkte bezüglich ihrer Wirksamkeit. Er wies darauf hin, dass auch die  Dermis als Zielstruktur individuell höchst unterschiedliche viskoelastische Eigenschaften aufweise, die das Behandlungsresultat beeinflussten.
Im folgenden Beitrag ging Herr Reinmüller  auf die Vielzahl an Hyaluronsäure-Fillern ein. Die Zahl der auf dem EU-Markt erhältlichen Produkte erreichte mit über 100 eine unüberschaubare Größenordnung. Die einzelnen Produkte unterschieden sich durch die Herkunft bzw. die Gewinnung der Hyaluronsäure, den Prozess der chemischen Stabilisierung, die Konzentration der Hyaluronsäure , den Aggregatzustand und durch die viskoelastischen Eigenschaften. Weiterhin wurde der Unterschied zwischen sogenannten „monophasischen“ und „biphasischen“ Produkten herausgearbeitet. Unterschiedliche Eigenschaften bedingten unterschiedliches Verhalten im Gewebe. Viele Produkte hätten daher ein eigenes Profil, manche seien Kopien erfolgreicher Vorläuferprodukte. In jedem Falle sei festzuhalten, dass Hyaluronsäure-basierte Filler Implantate sind und nicht natürliche Bausteine des Bioorganismus.
Herr Lampe und Herr Thomas Galla aus Köln gingen auf ein neues Anwendungsgebiet der chemisch vernetzten Hyaluronsäure ein : die Masseninjektion in tiefe Gewebsschichten zur Wiederherstellung von Weichteildefekten und zur Mamma-Augmentation. Sie traten der Auffassung entgegen, es lägen keine klinischen Studien für diese Anwendungen vor. Unter Bezugnahme auf das hierzu veröffentliche Wissen stellten sie Indikationen für das Verfahren und eigene Anwendungsbeobachtungen dar. Die Diskussion bezog sich auf die Sicherheit des Verfahrens und die Zusammensetzung des Handelsproduktes Macrolane. Für eine abschließende Beurteilung sei es zu früh. Es fehlten Langzeiterfahrungen.
Herr Timm Philipp Wolter aus Aachen berichtete über Lippen-Augmentation mit dem permanenten Filler Aquamid. Er stellte eine Studie mit insgesamt 200 Teilnehmern vor und beschrieb die Technik der Implantation und Maßnahmen bei unerwünschten Wirkungen. Das Material sei bei Bedarf  vollständig exprimierbar. Die Schlussfolgerung lautete, dass das Verfahren mit Aquamid eine verlässliche Alternative zu den häufiger eingesetzten resorbierbaren Materialien darstellt.
Frau Tatjana Pavicic aus München berichtete über ihre Erfahrungen mit Belotero intens, einer  Weiterentwicklung des monophasischen Fillers Belotero basic. Es unterscheide sich durch die höhere Hyaluronsäure-Konzentration vom letztgenannten. Sie stellte die Indikationen und Kontraindikationen dar und gab Empfehlungen zu möglichen Kombination mit anderen Zubereitungen der Produktlinie.  Die Darstellung der Behandlungsresultate im Einzelnen konnten der ausführlichen Fotodokumentation entnommen werden. Belotero intens erfordere  eine andere, tiefere Injektionstechnik unter Inkaufnahme einer subcutanen Platzierung.
Frau Fanny Longin aus Kopenhagen berichtete über ein neues Verfahren zur Herstellung hochreiner  Hyaluronsäure. Der gentechnisch veränderte Mikroorganismus Bazillus subtilis sei in der Lage, Hyaluronsäure zu synthetisieren und diese in die Nährlösung zu sezernieren. Damit sei die Isolierung einer homogenen Hyaluronsäure mit einem mittleren Molekulargewicht von ca. 1,1 Mio. Dalton direkt aus der Lösung und ohne Fällungsschritte mit organischen Lösungsmitteln möglich. Der synthetisierende Mikroorganismus  bleibe dabei intakt, sodass keine Bestandteile der bakteriellen Zellwand oder des Zellinhaltes in die Präparation übertreten könnten wie bei Produktionsverfahren mit Streptokokken. Bazillus subtilis benötige im Gegensatz zu Streptokokken zum Wachstum keine tierischen Substrate und sei pyrogenfrei. Damit bestünde keine Schnittstelle zum Tierreich und das Endprodukt enthalte keine Restbestände an Pyrogenen. Bisher habe diese unter dem Handelsnamen HyaCare von Novozyme angebotene Hyaluronsäure noch keine Verwendung als Ausgangsmaterial für Produkte im Bereich der kosmetischen Medizin gefunden. In Bezug auf die bisher bekannten Herstellungsverfahren für Hyaluronsäure stelle das neue Verfahren einen Paradigmenwechsel dar mit künftig nachhaltiger Wirkung auch auf den Medizinprodukte-Markt.
Frau Gabriele Feller-Heppt aus Baden-Baden stellte einen neuen Filler auf Basis eines xenogenen Kollagens vor, welches unter dem Handelsnamen Evolence angeboten wird. Das Kollagen werde aus Schweinehaut gewonnen und durch eine natürliche Reaktion mit Glucose (Maillard-Reaktion) quervernetzt bzw. stabilisiert. Anhand von histologischen Untersuchungen legte sie dar, dass das Produkt nur eine geringe Gewebsreaktion auslöst. Daher ist die Haltbarkeit im Gewebe im Vergleich zu anderen Kollagen-basierten Produkten erheblich gesteigert. Die Antigenität des xenogenen Kollagens habe sich offensichtlich durch das verwendete Vernetzungsverfahren drastisch reduziert, sodass Vortestungen nicht mehr obligat seien. Die Indikationen entsprächen den allseits bekannten. In der Diskussion wurde die Konsequenz aus der auch natürlicherweise im Alterungsprozess der Haut ablaufenden   Maillard-Reaktion für den Abbau und die Verträglichkeit diese Filler-Typs behandelt.
Frau Patricia Ogilvie aus München gab ein up-date des unter dem Handelsnamen Radiess erhältlichen Fillers, der als Langzeitkomponente Mikrosphären des keramischen Materials Hydroxylapatit enthält. Der Durchmesser der Sphären liege bei ca. 40 Mikrometer. Damit sei eine primäre Phagozytose ausgeschlossen. Als Transportmedium für die Mikrosphären durch die englumigen Kanülen ins Gewebe diene Hydroxymethylcellulose, ein bekanntes und unproblematisches  pharmazeutisches Hilfsmittel. Entscheidend für die Verträglichkeit und Haltbarkeit sei der Herstellungsprozess der Mikrospären bzw. des keramischen Materials, der ganz wesentlich die Oberflächenbeschaffenheit der Sphären beeinflusse. Hydroxylapatit zerfalle im Organismus spontan. Die Keramik sei damit vollständig resorbierbar. Indikationen seien tiefe Gesichtsfalten und zunehmend auch der Handrücken. Das Material werde dabei subdermal injiziert und verteilt. Bei Anwendung in der Lippe müsse mit Granulomen gerechnet werden.
Frau Wiest ging nochmals auf ein bereits abgeschlossenes Kapitel ein, welches allerdings weiter in die Gegenwart und vermutlich auch in die Zukunft wirkt. Es sind die Spätfolgen des permanenten Fillers DermaLife, der inzwischen vom Markt genommen wurde. Bestandteile waren Hydrogel-Partikel aus Polyhydroxyethylmetacrylat (HEMA) als dauerfhafte Bestandteile und Hyaluronsäure als passagere Trägersubstanz. Die nicht resorbierbaren Hydrogel-Partikel verursachten nach einer Latenzzeit von mehreren Jahren konfluierende Granulome, zumeist mit entzündlichen Begleiterscheinungen. Es sei zu vermuten, dass eine bakterielle Besiedlung der Partikel bzw. eine sogenannte Biofilm-Bildung auf der Oberfläche die Reaktionen auslöse. Sie habe bisher Erfahrungen mit ca. 400 Patienten mit DermaLife Granulomen. Die Therapie sollte konservativ bleiben. Dabei könne Volon A Kristallsuspension 1%  und 5Fluoruracil (5FU) intraläsional in Kombination mit 300 – 600 mg/die Allopurinol systemisch gegeben werden. Die Behandlung sollte wenn nötig mehrfach wiederholt werden.
Herr Gerhard Sattler aus Darmstadt erläuterte ein neues Konzept zur Weichteil-Augmentation im Gesicht . Er ging zunächst darauf ein, dass ein altersbedingter Gewebsumbau zu Weichteilverlusten führen könne. Dieser lasse sich mit tiefen Injektionen des monophasischen Hyaluronsäure-Fillers Belotero basic in das Subcutangewebe, eventuell auch submuskulär,  ausgleichen. Dabei kämen regelmäßig  größere Mengen zum Einsatz, z.B. 4 ml Belotero basic pro Seite. Gegenüber der Injektion von autologem Fettgewebe sei der Vorteil des Verfahrens die einfache Verfügbarkeit des Implantates Er demonstierte seine Behandlungserfolge anhand von Fotodokumentationen. Die Behandlung sei in hohem Maße gut verträglich und effektiv. Doch wies er auch auf noch ausstehende Langzeiterfahrungen hin.
Folgende Themen der Agenda blieben aus verschiedenen Gründen unbehandelt :
Grundlegende Ausführungen zu einem neuen synthetischen Filler aus USA, Laresse,
Erfahrungen mit einem neuen Filler aus Italien auf Agarose-Basis, EasyAgarose,
Kombinationen der Hyaluronsäure-Filler mit Hilfssubstanzen wie Lidocain und Botulinumtoxin A,
Interferon-Therapie, Immunsuppression und Chemotherapie als Kontraindikationen bzw. Indikationseinschränkungen bei der Anwendung von Fillern.
Am Ende der Konferenz blieb den Initiatoren wegen der fortgeschrittenen Zeit nur noch die Danksagung an die Vortragenden und Teilnehmer und die Ankündigung einer neuen Konferenz im Jahre 2010 in Wiesbaden, in der die vorgenannten, bisher unbehandelten Themen mit Priorität abgehandelt werden sollen.


Entwurf, Stand 12.3.09
Dr. med. Johannes Reinmüller 

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